(Un) zeitgemäße Betrachtungen

buecherei160_155 F. Nitzsche:

“Die vergnügten Philosophieprofessoren. Fast ist es ihm,
als ob er die Symptome einer völligen Ausrottung und
Entwurzelung der Kultur wahrnähme, wenn er an die
allgemeine Hast und zunehmende Fallgeschwindig-
keit, an das Aufhören aller Beschaulichkeit und Sim-
plizität denkt.
Die Gewässer der Religion fluten ab
und lassen Sümpfe oder Weiher zurück; die Nationen
trennen sich wieder auf das Feindseligste und begeh-
ren sich zu zerfleischen. Die Wissenschaften, ohne
jedes Maß und im blindesten laisser faire betrieben,
zersplittern und lösen alles Festgeglaubte auf; die ge-
bildeten Stände und Staaten werden von einer großar-
tig verächtlichen Geldwirtschaft fortgerissen. Niemals
war die Welt mehr Welt, nie ärmer an Liebe und
Güte.”

affenblinddreierklang

Aktuell: Die Anti-Russland-Hysterie hat sich zu einer waschechten Paranoia ausgewachsen, gegen die zunehmend selbst absurdeste Verschwörungstheorien harmlos erscheinen – was die konkreten Folgen angeht. (Quelle)

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“Die gelehrten Stände sind nicht mehr Leuchttür-
me oder Asyle, inmitten aller dieser Unruhe der Ver-
weltlichung; sie selbst werden täglich unruhiger, ge-
danken- und liebeloser. Alles dient der kommenden
Barbarei, die jetzige Kunst und Wissenschaft mit ein-
begriffen. Der Gebildete ist zum größten Feinde der
Bildung abgeartet, denn er will die allgemeine Krank-
heit weglügen und ist den Ärzten hinderlich. Sie wer-
den erbittert, diese abkräftigen armen Schelme, wenn
man von ihrer Schwäche spricht und ihrem schädli-
chen Lügengeiste widerstrebt. Sie möchten gar zu
gerne glauben machen, daß sie allen Jahrhunderten
den Preis abgelaufen hätten, und sie bewegen sich mit.

absurdes Theater

Daß die einzelnen sich so gebärden,
als ob sie von allen diesen Besorgnissen nichts wü-
ßten, macht uns nicht irre: ihre Unruhe zeigt es, wie
gut sie davon wissen; sie denken mit einer Hast und
Ausschließlichkeit an sich, wie noch nie Menschen an
sich gedacht haben, sie bauen und pflanzen für ihren
Tag, und die Jagd nach Glück wird nie größer sein,
als wenn es zwischen heute und morgen erhascht wer-
den muß: weil übermorgen vielleicht überhaupt alle
Jagdzeit zu Ende ist. Wir leben die Periode der
Atome, des atomistischen Chaos. Die feindseligen
Kräfte wurden im Mittelalter durch die Kirche unge-
fähr zusammengehalten und durch den starken Druck,
welchen sie ausübte, einigermaßen einander assimi-
liert. Als das Band zerreißt, der Druck nachläßt, em-
pört sich eines wider das andere.
[Quelle: Unzeitgemäße Betrachtungen, F. Nitzsche]

2 Gedanken zu „(Un) zeitgemäße Betrachtungen

  1. Hallo, lieber Oskar,
    es scheint sich von der damaligen Zeit – bis heute nichts geändert zu haben.
    Würde Nietzsche heute noch leben, könnte er das alles – mit kleinen Abweichungen – genau so noch einmal schreiben.
    Mein Eindruck ist , dass sich das gesamte Weltgeschehen von Tag zu Tag zuspitzt.
    Die neue Islam-Debatte, das Russland-Bashing, die Situation im Norden Syriens durch die Türkei, Merkels Unfähigkeit in jeder Beziehung. Fängt man erst einmal an, die Probleme aufzulisten, könnte man sie beliebig fortsetzen – Ende offen !
    Irgendwie wartet man förmlich auf den Knall – in welcher Form auch immer.
    Ja, man könnte endlos diskutieren – es ändert nichts, sondern scheint immer schlimmer zu werden. Die beschaulichen und behaglichen Zeiten scheinen vorbei zu sein, so traurig das ist.
    Ich frage mich manchmal, wann das Fass überläuft.

    Hab dennoch einen guten und hoffentlich entspannten Abend- bis zum nächsten Mal herzliche Grüße
    von Laura, die sich nun ihr Gläschen Rotwein gönnt und abschaltet :o).

    • Hallo Laura,
      Danke für deinen Besuch und Kommentar. 🙂
      Gestern war es schon zu spät zum antworten.
      Das Weltgeschehen entspricht einem Pulverfaß, schlimmer wie zu „Kalten Krieg“ Zeiten. Zumal ja noch die ganzen verschlimmerten Umweltprobleme hinzu kommen. Hörte heute: “ Zecken breiten sich immer weiter aus. Laut der neusten Studie des Robert-Koch-Institus gilt nun ganz Baden-Württemberg als Risikogebiet. Und damit nicht genug: Eine bislang nur im Mittelmeerraum beihamtete Art könnte sich schon bald auch nördlich der Alpen ansiedeln. Sie wird vermehrt hier gesichtet, die Untersuchungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Das Rheinebenengebiet ist da eh an vorderster Front, weil hier das Klima sehr mild ist.
      Diese Textstelle von Nitzsche, kann man nicht oft genug ins Gedächtnis rufen, weil immer noch voll zutreffend.
      Nun ist schon wieder fast der Mittwoch herum, die Hälfte vom März ebenfalls, die Zeit enteilt wirklich rasant. 🙁
      Wünsche dir eine angenehme Restwoche. 🙂
      VG
      Oskar

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