Es ist nun einmal eine abgegriffene, aber noch keineswegs überholte Allerweltsweisheit, daß nichts so schlecht zu vertragen ist wie eine Reihe von guten Tagen. Die Tatsache, daß man die Folgen des süßen Lebens mit einem permanenten Niveauabstieg zu bezahlen hat, ist nicht zu leugnen. In der Tat ist das rapide Absinken der Leistungskurve auf allen Gebieten heute kaum noch zu übersehen. Über diese betrübliche Tatsache kann der Hurra-Optimismus naiver Gemüter so wenig hinwegtäuschen wie die primitive Fortschrittsgläubigkeit dezidierter Materialisten, die den technischen Fortschritt, bedingungslos anbeten und wie eine heilige Monstranz vor sich hertragen.
Wilhelm Röpke sah sich daher zu der lapidaren Feststellung veranlaßt: „Wir sind zivilisierte Barbaren, geistig-moralisch splitternackte Wilde mit Radio, Maschinengewehren und Cyklotronen.“ Eine unbewältigte Technik erweist sich in der Tat immer mehr als wahre Tyrannis der Menschheit.
Der heutige Mensch hat seine zentrale Orientierung verloren. Er ist nicht mehr imstande, die Welt anders als nur noch partiell zu erfassen, die Gesamtsicht und damit Übersicht ist verloren. (ein Heer von Fach-Idioten ist heute die Regel – eine Informationsflut, aber kein wirklicher Erkenntnisgewinn mehr) Bei aller hochgezüchten Intellektualität, auf die er sich so viel zugute tut, kann er sein Leben kaum noch sinnvoll und eigengestaltet leben. Für die einfachen Zusammenhänge fehlt ihm der untrügliche Instinkt. Die Zersplitterung der Persönlichkeit signifiziert aber schon einen unaufhaltsamen ICH-Verfall.
Der konturlose Mensch ohne Rückgrat ist heute der dominante Massentypus, ohne gefestigtes geistiges ICH, ein Mensch der Beliebigkeit und des Zufalls.
Warum gibt es kein Geistesleben mehr in Deutschland?, frug schon in den 70er (genau im Jahre 1978) Jahren Friedrich Heer (österreichischer Kulturhistoriker, Schriftsteller und Publizist.
Ja warum wohl?