Zeit der Narrenkäfige
Narrenkäfige
Es ist ja im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, daß in einem Käfig voller Narren jeder tut, was zu tun in seiner Profession nötig ist.
Verlangen müssen wir aber, daß es in jedem Käfig mindestens einen gibt, der sich trotz aller Professionalisierung den kindlichen Blick fürs Ganze bewahrt und die Fähigkeit antrainiert hat, im Käfig zu sitzen und ihn sich von außen vorzustellen. Dieser eine sollte den Käfig führen. Unsere ganze Misere besteht jedoch darin, daß an der Spitze jedes Käfigs regelmäßig jener Profi sitzt, der von allen Profis die Kunst des Wegdenkens am besten perfektioniert hat, also der blindeste von allen. Und die Leute mit dem kindlichen Blick rangieren in der Hierarchie regelmäßig ganz unten oder befinden sich außerhalb des Käfigs, weil sie es darin gar nicht aushielten, oder sie sind Künstler. Weil das so ist, bewegen sich die Narrenkäfige wie von selbst in eine Zukunft, die am Ende niemand gewollt haben wird. Weil sich alle Käfige in die gleiche Richtung bewegen, denken die Narren, die Richtung stimmt.
[Quelle: Chr. Nürnberger, 1 – Die Machtwirtschaft – Ist die Demokratie noch zu retten? – 1999 – S. 201/202]