Instrumentelle Vernunft
Die Vernunft ist instrumentell geworden, sagt Horkheimer weiter in der „Kritik der instrumentellen Vernunft“ (1946, dtsch. 1967), sie ist von einer Möglichkeit, Wahrheit zu finden und die Natur zum Nutzen der Menschen zu gestalten, zu einem Instrument der Machtausübung über Natur und die Natur des Menschen geworden. Ergebnis ist, daß das „individuelle Subjekt“ dazu tendiert, zu „einem eingeschrumpften Ich zu werden…. das den Gebrauch der intellektuellen Fähigkeiten vergißt, durch die es einst imstande war, seine Stellung in der Wirklichkeit zu überschreiten“. So entsteht ein neuer Menschentyp, der nicht mehr selbst ist, sondern nur noch „Echo seiner Umgebung“, der „wiederholt, nachahmt, indem er sich … anpaßt … Es ist ein Überleben … durch Mimikry“.
Das Resultat einer Gesellschaft, in der die „Vergottung der industriellen Tätigkeit keine Grenzen kennt“, ist so ein Individuum, das keine „persönliche Geschichte“ mehr hat, sich selbst abgegeben hat an die Gesellschaft.
Die „instrumentelle Vernunft“ und die „technische Rationalität“ prägen so nicht nur die Gesellschaft, sondern werden auch zur herrschenden Denkweise selbst derer, die unter ihnen leiden müssen. Im Hauptwerk der „Kritischen Theorie“, in der „Dialektik der Aufklärung“ (1974), 1 gehen Adorno und Horkheimer unter dem Eindruck des Faschismus als Barbarei in der Wirklich noch einmal auf den Grund zurück, aus dem die Vernunft der Aufklärung umgeschlagen ist von einer Kraft, die den Menschen befreien sollte, zu einer, die ihn unterdrückt. [*2]2
Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Sie wollte die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen stürzen. Bacon hatte die Parole „Wissen ist Macht“ ausgegeben. „Macht und Erkenntnis sind synonym“ (gleichbedeutend) geworden zur Zeit der Aufklärung. Aus dieser Gleichung von Macht und Erkenntnis als dialektische Beziehung ist im Zeitalter der Industrie und der modernen Warenwirtschaft, in der noch „der Gedanke zur Ware und die Sprache zu deren Anpreisung wird“, aus der Erkenntnis ein Mittel der Machtausübung derer geworden, die die Warenwirtschaft in der Hand haben. Die Erkenntnis ist zur „technologischen Rationalität“ geworden. Und der Mensch, der in ihr befangen ist, verleugnet sich selbst, er kennt die Gesetzmäßigkeiten nicht mehr als eigene Denkformen, nur noch als unabänderliche Sachzwänge. Er hat auch gar nicht mehr die Chance, in Folge der enormen Arbeitsteilung seine Welt als eine Totalität zu erfassen. Hieraus entsteht in ihm eine resignative, gar häufig einsichtige Haltung gegenüber allem, was ihn entfremdet, so daß es möglich ist, im Sinne der technologischen Warengesellschaft und mit Hilfe der Kulturindustrie, in der die „Aufklärung als Massenbetrug“ fungiert , seine Bedürfnisse zu manipulieren.
Aus dieser Analyse der Situation heraus hat nach Adorno die Philosophie die Aufgabe der „Kritik, als Widerstand gegen die sich ausbreitende Heteronomie (Fremdgesetzlichkeit), und Horkheimer sieht „die wahre gesellschaftliche Funktion der Philosophie … in der Kritik des Bestehenden … Das Hauptziel einer derartigen Kritik ist zu verhindern, daß die Menschen sich an jene Ideen und Verhaltensweisen verlieren, welche die Gesellschaft in ihrer jetzigen Organisation ihnen eingibt“. (Auszüge aus obigen Buch)