Beim Ausräumen der Kartons und sortieren der Bücher kamen mir gedruckte Internetseiten vom damaligen MP-Netz in die Finger und auch die dazugehörigen Bücher.
Meine Bücherliste im Dezember 2008
Unternehmen Babylon – Die aufgeregte Persönlichkeit
Wie die Globalisierung einen neuen Sozialcharakter formt
„Die unvermeidliche Globalisierung präsentiert ihre Rechnung: Verwüstung sozialer Zusammenhänge, Verwüstung der Finanzmärkte, Verwüstung natürlicher Ressourcen und die Verwüstung des menschlichen Innenlebens. Gewiss hat die Globalisierung auch Vorteile. Doch die ungehemmte, den Massen nicht zugute kommende, nur zum Vorteil der Eliten regulierte Globalisierung hat einen hohen Preis. Dazu gehört die Gefährdung und Umgestaltung der menschlichen Seele.
»Unternehmen Babylon« betitelt Peter Winterhoff-Spurk sein neues Buch. Am berühmten Bild »Der Turmbau zu Babel« des Flamen Pieter Bruegel aus dem Jahr 1563 verdeutlicht der Psychologie- und Medienprofessor verschiedene Dimensionen der Globalisierung und ihre Wirkungen auf die sozialen Beziehungen, auf die Arbeitswelt und auf die Persönlichkeitsentwicklung der Menschen. Nicht von ungefähr dient ihm das Bild, das jeweils in den Innenklappen des Buches farbig wiedergegeben ist, als roter Faden und Diagnosegleichnis. Denn Bruegel selbst nutzte das biblische Bild, um die Situation seiner Zeit in Antwerpen und Europa mit malerischen Mitteln darzustellen, zu analysieren und zu kritisieren. Denn der Maler erlebte damals eine dramatische Umbruchsituation, die der unseren mit ihrer hohen Globalisierungsdynamik in nichts nachstand.
Faszinierend vermag Winterhoff-Spurk seine unterschiedlichen Wissenschaftsgebiete – Psychologie, Medienforschung, Sozialwissenschaft und Kunstgeschichte – mit einem erheblichen Anteil an theologischen Reflexionen gut lesbar einzubringen und für einen Vergleich des Bruegel-Bildes mit unserer aktuellen Situation zu nutzen. Dabei finden sich die mittlerweile etwas zerzausten Priester neoliberaler Orientierung ebenso wieder wie die vom Globalisierungsdruck bedrängten Arbeitnehmer und getriebenen Manager. Die Risse im Fundament des Babelbaus symbolisieren die sozialen Folgen einer ungehemmten Globalisierung, die letztlich eine verkappte Reichtumsvermehrung für ganz wenige ist.
Während die Medien, speziell das Fernsehen, als eine Art Diesseitsreligion fungieren, prägt sich im Zusammenspiel mit ihnen, den Globalisierungsansprüchen und den politischen Eliten ein neuer Sozialcharakter aus: die Histrio-Persönlichkeit. Ihre Merkmale sind die Dramatisierung der eigenen Person, theatralisches Verhalten, übertriebener Ausdruck von Gefühlen, andauerndes Verlangen nach Aufregung und Anerkennung, Egozentrismus, leichte Beeinflussbarkeit, oberflächliche und labile Affektivität, unangemessen verführerische Erscheinung und entsprechendes Verhalten, übermäßiges Interesse an körperlicher Attraktivität.
Winterhoff-Spurks These: Der Histrio (aus dem Griechischen: der Schauspieler) ist der Sozialcharakter unserer Zeit, ein Produkt aus Medien, Globalisierungsdruck und eigenen Persönlichkeitsanteilen. Das verbreitete politische Desinteresse ist Teil und Folge eines solchen Sozialcharakters. Doch die Megakrise der Finanzmärkte, die starke Individualisierung der Globalisierungszeche und die Willfährigkeit der Politik gegenüber den gierigen Wirtschaftseliten verdeutlicht: Die politische Einmischung ist gerade heute notwendiger denn je, um der Politik Kraft und Richtung zu einer sozial gerecht gestalteten Globalisierung zu geben.“
(Dieses Buch ist Buch des Monats in Publik-Forum 19/2008.
Norbert Copray rezensierte. Dort ist das Buch auch bestellbar)
Auch hier ist festzuhalten: Die meisten Dinge, Begebenheiten und Beschreibungen haben sich bestätigt und sind meistens noch drastischer zutage getreten. All diese Verwerfungen und dekadenten Entwicklungen laufen mittlerweile beschleunigt ab und bedeuten einen rasanten Niedergang des sogenannten Westens. Bevorzugt wirksam in Frankreich und Deutschland gefolgt von Italien, Holland und Belgien. Die USA lassen wir hier mal außen vor denn das ist ein Kapitel für sich.