Lustbarkeit: Reise-Rummel

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Reisen ist des deutschen Michels Lust.
Aber hat das Wort in seinem ursprünglichen Sinne noch Gültigkeit? Müßte man nicht richtiger von Ortswechsel, Heimflucht, Protzentum, Angeberei oder Imponiergehabe sprechen? Goethe hat von seiner Italienfahrt eine Bereicherung seines Geistes und eine Reifung seiner Persönlichkeit mitgebracht. Was wir Heutigen aus Sizilien mit nach Hause bringen, sind Abstumpfung, kitschige Souvenirs und eine Menge miserabler Diapositive oder neuerdings Speicherkarten voll von digitalen Bildern. Daß es freilich auch zu Goethes Zeiten hohlköpfige Reisende gegeben hat, beweist ein Aphorismus des ostpreußischen Schriftstellers und Theologen Gottlieb von Hippel aus eben jenen Jahrzehnten: „Zu den meisten Reisenden könnte man sagen: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn in sein Vaterland!“ An solchen Gestalten wird es wohl niemals fehlen. Heute treten die Handtuch – Teutonen überall auf und fallen gewöhnlich peinlich auf. Es ist nur, daß ihre Zahl mit dem riesenhaften modernen „Reise-Service“ von heute ins Ungemessene gestiegen ist, so daß sie mit den gegebenen Möglichkeiten und gesteigerten Ansprüchen dem fliegenden Jahrmarkt geradezu künstlich in die Arme getrieben werden. 🙁

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Ein Badestrand. Sonne. Ein Wurf halbnackter bis ganz nackter Menschen, dicht gedrängt wie Rettiche im Frühbeet. Viel Sand. Noch mehr Wasser. Farbige Tupfen von Bademänteln, Bikinis und Sonnenschirmen. Irgendwo ein Musikpavillon, der Krach macht. … die Musik plärrt den lieben langen Tag.
Die Stenze und Gockel flanieren vor den gackerten Hühner auf und ab. 😆
Abends in den Tavernen wird sich der Rotwein hinter die Binde gekippt und die gleiche Narzißten-Schau geht ab.

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Ob es sich um Bilder aus Korsika oder Miami handelt: – Strand! Um einen Reiseprospekt für Irland oder Spanien: – Strand! Strand! Strand!
Man könnte sie gegeneinander auswechseln, diese menschendurchwimmelten Strände aller Zonen, ohne daß man es merkte. Und doch sind sie in ihrer tödlichen Einförmigkeit für den modernen Urlauber der siebente Himmel, ohne den auch die herrlichste Reise schal und ohne Mittelpunkt bliebe. Sie sind gleichartig wie Hühnereier und ohne jegliche Eigenart wie die jeweilige Mode.
Das sind dann auch die beliebten Gesprächsthemen. Nun, Frau Meier! Wohin geht es denn dieses Jahr…Urlaub, mein Haus, mein Garten und mein Auto…  🙁
Die wirkliche Realität geht an all diesen Menschen vorbei. Sie leben in ihrer eigentümlichen Matrix. Wunnebar Alles Wunnebar!

Wasser, Sand und Sonne – nichts als beschönigende Kulissen für jenen Selbstzweck, der auch hier der eigentliche Lebensinhalt ist, ohne daß er je beim richtigen Namen genannt wird: den Rummel und die Banalität! Die große Schau des Modischen, den Laufsteg des Sexuellen, die Narzißten-Schau, die nächtliche Parade des Allzumenschlichen.

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